Essig ist nicht gleich Essig

Essig ✽ Jeder kennt und verwendet ihn, aber kennen Sie auch den Unterschied zwischen Industrieessig und Tradtionsessig? Wissen Sie was Essig wirklich kann, und was nicht? Was es mit dem Aceto Balsamico di Modena auf sich hat? Und finden Sie heraus, wie Sie Ihren eigenen Essig selber machen.

Vergessen Sie erst einmal alles, was Sie jemals über Essig gehört haben. Vor allem diesen gesamten Marketing-Hokuspokus, der in den letzten Jahrzehnten rund um den Essig entstand. Denn Essig ist nichts anderes als saurer Wein. Also Wein mit Essigsäure. Und würde Ihr Arzt Ihnen Essig verschreiben?

Nein? Warum nicht? Wenn er doch angeblich so viel kann. Schon komisch, oder? Gehen Sie mal mit dem Satz "Ich muss 10 Kilo abnehmen und trinke dafür jeden Tag ein Glas Essig" zum Arzt. Der wird lachen. Und das mit Recht. Denn Essig kann dies rein anatomisch und biochemisch überhaupt nicht leisten.

Genauso wenig wie die vielen anderen Heilwirkungen, die Essig angeblich haben sollte. Sind Sie beim Lesen dieser schon mal über das Wort KANN gestolpert? Mit Sicherheit, denn es steht fast in jedem Satz dabei. Genauso wie der Zusatz, dass jegliche Studien, die eine solche Wirkung belegen würden, fehlen.

Das sollte Sie hellhörig werden lassen. Denn diese angeblichen Heilaussagen über Essig sind nichts weiter als eine Marketing Maschinerie mit einem einzigen Ziel: Ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und das für nichts und wieder nichts. Für einen Effekt, der auf Erwartung statt auf Wirkung beruht.

Was kann Essig?

Wenn wir uns die Geschichte ansehen, ist Essig über 5.000 Jahre alt. Bis in die neuere Zeit hatte Essig Heilwirkungen. Sie müssen dabei aber bedenken, dass es früher verseuchtes Wasser gab, die Luft mit Bakterien übersät war, keine Desinfektionsmittel existierten und Antibiotika noch nicht erfunden waren.

In diesen Zeiten hatte Essig als Heilmittel seine Berechtigung, denn er war schlicht und ergreifend das effektiverste Mittel, das man damals hatte. Auch gab es keine Kühlschränke, die Lebensmittel haltbar machten. So war Essig früher ein wichtiger Bestandteil für ein gesünderes Leben.

Heute haben wir Kühlschränke, wirksame Desinfektionsmittel, Medikamente und auch Antibiotika sind kein Fremdwort mehr. Wir sind auf diese Wirkungen vom Essig nur noch in kleinen Bereichen angewiesen, denn unsere heutigen Mittel sind wesentlich effektiver, als die saure Flüssigkeit es je sein könnte.

Das kann Essig wirklich

  1. Den pH-Wert von Oberflächen senken, sie sauberer machen und dadurch das Wachstum von Bakterien hemmen beziehungsweise mindern.
  2. Die Haut kurzfristig kühlen und die Poren zusammenziehen. Das ist ein kurzeitiger Effekt, den Sie spüren.
  3. Lebensmittel konservieren, wie zum Beispiel beim eingelegtem Gemüse, das dadurch haltbarer wird.
  4. Kalk lösen
  5. Unsere Speisen mit einer einzigartigen Geschmacksvielfalt bereichern.

Essig Geschichte

Weiter gibt es ein paar kleine Mini Effekte, die Essig auf unsere Gesundheit ausüben kann:

  • Kurzzeitige Appetithemmung, da sich der Magen aufgrund der Säure etwas zusammen zieht.
  • Durch eine leicht verlangsamte Magenentleerung kann sich der Blutzuckerpeak leicht verschieben.
  • Die Säure verbessert die Bioverfügbarkeit von pflanzlichem Eisen leicht.
  • Für einige Minuten wird ganz leicht der ph-Wert im Magen gesenkt.
  • Durch den Ersatz von kalorien- und fettreichen Dressings mit Essig bringt er weniger Kalorien auf den Tisch.

Diese Mini Effekte gibt es. Sie sind aber so klein, dass sich daraus, wenn überhaupt, nur ein kleiner Vorteil für Ihre Gesundheit ergibt. Sie erreichen wesentlich mehr für Ihr tägliches Wohbefinden, wie auch für Ihr Gewichtsmanagement, wenn Sie sich gesund und ausgewogen ernähren.

Essig können Sie als das nehmen, was er ist: Ein Genussmittel, der unseren Speiseplan als Würze oder keiner Aperitif bereichert und mit unseren Geschmacksknospen spielt. Vor allem wenn es um Traditionsessig, also manuell hergestellten Qualitätsessig geht.

Essig

Essig ist nicht gleich Essig

Essig wird heutzutage auf 2 unterschiedlichen Wegen hergestellt. Einmal der Essig, den Sie im Supermarkt kaufen. Er wird industriell in wenigen Tagen in großen Mengen produziert. Dabei besteht er entweder aus verdünntem Ethanol, wie der Tafelessig oder Branntweinessig. Oder er wird aus Fruchtsaftkonzentraten und/oder Agrarspiritus produziert.

Dieser Industrieessig eignet sich vor allem für die Anwendung im Haushalt:

  • Sie können damit in der Küche Oberflächen abwischen.
  • Einen Schuss davon ins Putzwasser für den Fußboden geben, vor allem wenn Sie Haustiere oder Kinder haben, die Schmutz mit nach drinnen bringen.
  • Ihre Haushaltsgeräte entkalken.
  • Kalk und Ablagerungen beim Badezimmer putzen entfernen.
  • Einigen schwer entfernbaren Flecken auf Ihrer Kleidung den Kampf ansagen.
  • Streifenfreier die Fenster putzen, wenn ein Schuss Essig ins Putzwasser kommt.
  • Das Wachstum von Schimmel und Bakterien im Haushalt aufhalten.
  • Als Anti-Duftmittel gegen verschiedene Arten von Schädlingen helfen.

Welchen Industrieessig Sie für diese Zwecke einsetzen, bleibt Ihnen überlassen. Sie können zur günstigen Essigessenz greifen und diese entsprechend verdünnen. Oder den einfachen Tafelessig oder Branntweinessig nutzen. Selbst ein industriell hergestellter Obst- oder Weinessig wird seinen Zweck erfüllen.

Dennoch ist es unnötig, mehr Geld als notwendig für den "Putzessig" auszugeben. Der Apfelessig mag zwar bei der Oberflächenreinigung in der Küche einen leichten Geruch nach Äpfeln hinterlassen, dennoch wird der Essiggeruch überwiegen. Greifen Sie für den Haushalt zu dem Essig, der Ihnen am besten gefällt.

Essigherstellung

Natürlich können Sie auch mit industriell hergestellten Apfelessig, Weinessig, Malzessig, Obstessig, oder auch Balsamico Ihre Speisen verfeinern, Dressings oder Marinaden herstellen. Sie eignen sich sehr gut als Lebensmittel. Wenn Sie aber einmal einen manuell hergestellten Traditionsessig probiert haben, werden Sie den Unterschied bemerken.

Denn dieser ist nicht klein oder minimal, sondern sehr groß. Traditionsessig reift über Monate hinweg und genau das macht sich im Geschmack deutlich bemerkbar. Natürlich auch im Preis, wenn Sie ihn kaufen. Aber Sie können einen solchen Essig auch selber machen, denn es ist nicht schwer, dauert nur seine Zeit.

Und genau an dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen. Manuell hergestellter Essig reift über Monate und bringt eine Qualität mit sich, an die Industrieessig niemals heran kommt. Die Herstellung beruht auf dem Orléans Verfahren aus dem 17. Jahrhundert. Sie wurde bis in die heutige Zeit nur weiterentwickelt.

Essig ist eben nicht gleich Essig.

Essig selber machen

Beim Essig selber machen steht immer die Natur, Pflege und Zeit im Vordergrund. Wein wird zu Essig, wenn genug Sauerstoff und Essigsäurebakterien zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum früheren Orléans Verfahren kontrollieren Sie heute die Herstellung und erhalten, wenn Sie sauber und gewissenhaft vorgehen, einen hervorragenden Essig.

Selbst den Säuregehalt können Sie steuern. Ist er Ihnen zu sauer, mischen Sie einfach etwas Wasser dazu. Ist er nicht sauer genug, reift die saure Flüssigkeit einfach etwas länger. Dabei variiert auch immer der Geschmack. Jeder selbst gemachte Essig ist ein Geschmackserlebnis, das Sie in der Hand haben.

Nehmen Sie zum Beispiel andere Äpfel für den Apfelessig oder eine andere Honigsorte für den Honigessig, ist der Geschmack ein anderer. Genauso wie jede Apfelsorte und Honigsorte unterschiedlich schmeckt. Dabei können Sie den Geschmack verändern, also unterschiedliche Zutaten mit einander kombinieren.

Grundsätzlich ist es nicht schwer Essig selber zu machen. Es dauert nur seine Zeit. Das Prinzip Alkohol + Essigsäurebakterien + Sauerstoff = Essig gilt auch hier. Sie benötigen dazu:

  1. Wein mit einem Säuregehalt von maximal 10% Vol.
  2. Essigmutter (das sind die Essigsäurebakterien)
  3. Ein bauchiges Gefäß, in dem der Wein an einem warmen Ort zu Essig wird.
  4. Eine luftdurchlässige Abdeckung, damit der Sauerstoff zirkulieren, aber keine Bakterien oder Insekten hinein kommen. Sonst wäre das Ergebnis für den Müll, Ihr Essigansatz würde schimmeln.
  5. Circa 3 Monate Reifezeit, bis der Wein zu Essig wird.

Natürlich können Sie auch aus frisch ausgepressten Früchten Essig herstellen. Dabei muss der Fruchtsaft erst zu Wein gären. Das nimmt noch einmal circa 2 Monate oben drauf in Anspruch. Aber dann haben Sie einen Essig hergestellt, den Sie komplett von Anfang bis Ende selbst gemacht haben.

Essig selber machen

Sie können Obstessig selber machen, wie zum Beispiel Apfelessig oder Himbeeressig. Selbst Tomatenessig ist denkbar. Aber auch Balsamico können Sie selber herstellen, roten oder weißen Weinessig und so weiter. Viele Rezepte sind möglich und einen komplett speziellen Essig erhalten Sie, wenn Sie mischen.

So wäre es zum Beispiel denkbar einen Essig mit Nüssen, Kakaonibs oder Tonkabohnen herzustellen. Den selbst gemachten Knoblauchessig könnten Sie mit Espresso verfeinern. Auch Lavendelblüten bereichern Ihren Essigansatz. Und Sellerie und Estragon passen zum Apfelessig aus grünen Granny Smith Äpfeln.

Ihrer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Sie könnten auch Birnen und Äpfel kombinieren und mit etwas Karamell und Vanille verfeinern. Werden Sie kreativ bei der Essigherstellung. Das Ergebnis wird Ihren Gaumen erfreuen und wer weiß, vielleicht stehen Ihre Bekannten bald bei Ihnen Schlange für Ihren Essig.

Achten sollten Sie bei der eigenen Essigherstellung auf Grundstoffe aus biologischem Anbau. Kaufen Sie Obst, Gemüse und Kräuter aus regionalem Anbau im Bioladen oder ziehen Sie diese im eigenen Garten selbst. Nur dann wird der Essig wirklich erstklassig.

Aceto Balsamico di Modena

Der Aceto Balsamico di Modena gehört heute mit zu den bekanntesten Essigsorten. Dabei reicht seine Geschichte zurück ins 17. Jahrhundert. Denn als in Frankreich das Orléans Verfahren für Furore in der Essigherstellung sorgte, entstand zeitgleich die Balsamico Tradition in Modena.

Der Aceto Balsamico Traditionale wurde aus gekochtem Traubenmost gefertigt und lagerte viele Jahre in Holzfässern. Dabei wurden verschiedene Holzarten verwendet und der Balsamico wechselte immer wieder das Fass. Er wanderte zum Beispiel von Eiche zu Kastanie und später zu Kirschbaum.

Charakteristisch für den Aceto Balsamico di Modena sind seine dunkle Farbe, die sirupartige Konsistenz, ein ausgewogenen Verhältnis zwischen Süße und Säure sowie seine komplexen Aromen. Früher, als er ausschließlich traditionell hergestellt wurde, galt er in adligen Kreisen als nobles Geschenk.

Balsamico Essig selber machen

Heute unterscheiden wir den Balsamicoessig aus industrieller Herstellung und den traditionellen Spezialessig. Und selbst beim Industrieessig, der einfach und schnell hergestellt wird, gibt es noch Unterschiede:

  • Zusatz IGP steht für einen Balsamicoessig mit einem Produktionsschritt in der Region Modena. Handwerksqualität in der Regel fast keine, Reifung nur kurz.
  • Ohne Zusatz: einfach, schnell und irgendwo auf der Welt gefertigter Industrieessig ohne Reglementierung. Für den Billigeinkauf im Supermarkt hergestellt.
  • di Modena hat ohne Zusatz IGP oder DOP ausschließlich einen Marketingzweck. Es unterliegt keinen Reglementierungen und ist einfach nur ein billigst hergestellter Industrieessig.

IGP steht in der Regel für eine Produktionsphase in der Region Modena. Beim Zusatz DOP müssen alle Schritte der Essigherstellung in der Region Modena stattfinden. Tradizionale bezieht sich auf das strikte Verfahren aus gekochtem Traubenmost.

So ist ein Balsamicoessig IGP weniger wertig als ein Aceto Balsamico di Modena DOP. Der hochwertigste, aber auch teuerste Essig, ist der Aceto Balsamico Tradizionale di Modena DOP.

Im Supermarkt finden Sie ausschließlich Balsamicoessig ohne Zusatz oder mit dem Zusatz IGP zu günstigen Preisen. Dieser Essig ist nicht zu vergleichen mit einem DOP Balsamico oder gar einem Tradizionale. Weder preislich noch qualitativ. Es liegen Welten dazwischen.